"Der Wolf ist tot"
2. Folge
Folge Brummelnd stauchte Jo seine ein Meter fünfundneunzig zusammen, um sich in sein Cabrio zu sortieren. Er zog einen Laptop unterm Beifahrersitz hervor und huschhusch, hatte sich der Junge via Funk oder sonstwas ins Internet eingeloggt. Die Tasten machten ein leises Klickergeräusch. Endlich hatte er die Adresse der Agentur ausfindig gemacht. Es gab tatsächlich ein Büro mitten in Wien, im Zentrum sogar, unweit des Parlaments. Eine goldblonde Dame mittleren Alters öffnete ihnen. Sie stellte sich sperrig wie ein Wachhund in die glänzend braun gestrichene, doppelflügelige Tür. „Sie wünschen?“
„Kriminalpolizei. Wir untersuchen einen Mord. Können wir reinkommen?“
„Bitte.“ Zögerlich gab die Frau die Tür frei. Aufgeblasene Wangen, oder war es nur ein schlecht sitzendes künstliches Gebiss? Der hellrosa Lippenstift stand ihr jedenfalls nicht besonders. „Wenn Sie meinen ...“
„Jawoll, wir meinen.“ Jo Karzer folgte Alma Gerbach.
„Und Sie sind?“
„Johanna Gmeiner. Ich leite die Agentur in Wien.“
Neugierig sahen sich die Ermittler in dem altmodisch eingerichteten Büro um. Die Möbel sahen gediegen aus. „Kaffee?“
„Nein -“
„Ja -“ Jo und Alma sahen sich an.
„Ich bring Ihnen Wasser“, die Blonde sah sie mitleidig an. Sie kam mit geschliffenen Bleikristallgläsern und einer ebensolchen Karaffe zurück. Das Wasser gluckerte, als sie einschenkte.
„Sie arbeiten allein hier?“ Jo griff nach dem Wasserglass. „In diesen weitläufigen Räumen?“
„Ich führe die Agentur mit meiner Schwester, die gerade auf Kundenterminen unterwegs ist. Aber ich wüßte nicht, was Sie das angeht.“
Die Polizisten ließen die Frage unkommentiert. „Wir kommen, um etwas über eine Russin zu erfahren, mit der Wolf Kramer liiert gewesen sein soll.“
„Unsere Geschäftsbeziehungen unterliegen der Verschwiegenheit, das sind wir unseren Kunden und den Mitarbeiterinnen schuldig.“
„Wovor haben Sie Angst? Als Senioren-Puff aufzufliegen?“ polterte Alma Gerbach. Hoffentlich beeindruckte sie diese indifferente Dame einmal, deren betuliches Schönbrunnerdeutsch ihr immer mehr auf die Nerven ging.
„Meine Kollegin meint das nicht so“, Jo Karzer hatte das Spielchen Guter Bulle-Böser Bulle hervorragend gelernt. Die Tante grinste ihn erwartungsgemäß an. „Ist Ihre Kollegin immer so rabiat?“
„Ja, die ist so. Da kann man nichts machen.“ Alma spürte, wie sich Jo ein Grinsen verkniff. Guter Schauspieler, alle Achtung. „Wir brauchen auch nur die Infos über diese Russin, Ihr Laden interessiert uns nicht.“
„Nur ein bisschen, die Visafrage zum Beispiel.“
„Aber Frau Kollegin, das macht doch die Fremdenpolizei.“
„Stimmt, hätte ich beinahe vergessen.“
Die Lady schien das alberne Spiel wirklich nicht zu durchschauen. Lachhaft.
„Sie meinen sicher Olga, eine charmante junge Dame. Sie hat den Herrn Bezirksvorsteher Kramer, einen netten Herrn übrigens, bei einem Empfang im Rathaus kennengelernt. Der Bürgermeister persönlich ehrte die erfolgreichsten Bezirkspolitiker. Dazu brauchten sie natürlich auch charmanten weiblichen Aufputz. Wir haben da geholfen. Olga kommt aus Russland, müssen Sie wissen. Da läßt man sich von dem Glanz hier im Westen beeindrucken. Eigentlich hatte ihr ein verrückter Fengshui-Typ was von Deutschland vorgeschwärmt. Sie wollte schon immer weg von daheim. Kein Wunder, bei dem Leben im tiefsten Kaukasus, das sie führte.“
„Ach so?“
„Ja, wegen einer Clan-Fehde war sie nach Moskau geflüchtet. Ein dunkles Familiengeheimnis. Man hat ihr mit dem Umbringen gedroht. Sie wurde die Geliebte eines deutschen Vorstandsvorsitzenden, dessen Unternehmen in Moskau eine Filiale eröffnete. Er konnte sie gut benötigen, um für ihn und sein Unternehmen zu spionieren. Sie war vom Regen in die Traufe geraten. Den Fengshuimann lernte sie während der Spionage kennen, er schien mit irgendwelchen geheimnisvollen Kristallen zu handeln. Er war beauftragt, den nach seinen komischen Prinzipien richtigen Ort für einen neuen Golfplatz im Umland von Moskau zu finden. Und dann den Platz auch zu gestalten. Was weiß ich. Ich kenn mich mit dem Esoterikzeugs nicht aus, ich hätte mich an Olgas Stelle an den Vorstandsvorsitzenden gehalten. Aber Olga wandte sich dem glitzernden Hokuspokus-Mann zu, weil er zunächst nett zu ihr war. Doch auch er enttäuschte sie, indem er einfach von der Bildfläche verschwand. Olga machte sich Sorgen um ihn. Emil, so hieß er - angeblich. Wieviel von der Geschichte stimmt, keine Ahnung. Olga hat sie jedenfalls meiner Kollegin in Minsk vorgeheult. Sie wollte Emil suchen. Persönlich. Also haben wir uns um die entsprechenden Visa und so weiter gekümmert. Mit einem Schengenvisum kann man dann ja weiter.“
„Olga und wie noch?“
„Wie meinen Sie?“
„Der Familienname! Ist das so schwer!“ Alma knallte das teure Glas auf den ebenso teuren Holztisch. „Geht das jetzt ein bisschen dalli oder -“
„Da muss ich erst nachsehen in der Kartei. Diese slawischen Namen, einer hört sich an wie der andere.“
Jo und Alma sahen sich an, als die Agenturchefin verschwunden war. Hoffentlich war das kein Trick! Hörte man da nicht jemand reden, eine Männerstimme? Hatte die Alte am Ende ein paar arbeitslose frühere KGB-Agenten als Bodyguards engagiert?
Montag, 2. Februar 2009
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